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1. August 2014

Seit einem Monat MdEP

Sögel/Brüssel. Jens Gieseke hat sich einen Traum erfüllt. Als erster Emsländer sitzt der Sögeler im Europarlament. Jetzt will er kämpfen: für eine stärkere Staatengemeinschaft, gegen Überregulierung – und für einen freien Tag in der Woche.

Das neue, kleine Büro von Jens Gieseke liegt in der 15.Etage des EU-Parlamentsgebäudes mitten im belgischen Brüssel. Dort ist Platz für Schreibtisch, Telefon und Computer. Wenn die Abgeordnetentage mal außergewöhnlich lang werden, „könnte man sogar hier schlafen“. Eine winzige Dusche für die Morgentoilette ist jedenfalls vorhanden. Aber ein Schlafsofa im Büro? „Das wäre mir zu muffig“, winkt der 43-Jährige ab. Der Blick ins Büro lässt aber erahnen, dass im neuen Politiker-Alltag Privates und Dienstliches miteinander verschwimmen.

Feste Arbeitszeiten gibt es für den Christdemokraten mit seinem neuen Job jedenfalls nicht mehr: Jeweils zu Wochenbeginn gibt Gieseke seiner Frau und den drei gemeinsamen Kindern in Sögel einen Abschiedskuss und fährt die 375 Kilometer mit dem Auto an den Parlamentssitz. „Das ist die schnellste Verbindung.“ Bahn und Flugzeug dauern viel länger.

Zwei Mitarbeiter unterstützen Jens Gieseke bei seiner Arbeit in Brüssel, ein weiterer Mitarbeiter ist für sein neues Büro in Papenburg vorgesehen, und eine studentische Hilfskraft ist da, wenn er einmal im Monat für ein paar Tage am zweiten Sitz der EU in Straßburg arbeitet.

Gieseke ist Mitglied im wichtigen Umweltausschuss und gehört der Delegation für Indien an. Also jener Gruppe von Abgeordneten, die im Auftrag der EU Beziehungen zu einem außereuropäischen Land pflegen soll. „Eigentlich hatte ich mich für Russland interessiert, weil viele Unternehmen aus dem westlichen Niedersachsen Geschäftsbeziehungen zu Russland pflegen.“ Aber das hat nicht geklappt. Jetzt ist es Indien geworden. Auch spannend – aber ich war bisher noch nie da. Außerdem ist er stellvertretendes Mitglied in der Delegation für Moldawien und Armenien.

Gieseke weiß, dass die Arbeit von EU-Parlamentariern in der Öffentlichkeit auch kritisch gesehen wird. „Das ist teilweise selbst verschuldet.“ Diskussionen wie über die Regulierung von Olivenölkännchen und Gurken haben dem Europäischen Parlament geschadet: Mit so was sollte sich das Europäische Parlament nicht beschäftigen, meint der gebürtige Lathener. Wichtiger sei, Europa stark zu machen, wo einzelne Staaten zu schwach sind: Eine starke Stimme sei in der Diskussion um die Ukraine-Krise viel wirkungsvoller als die Bemühungen von 28 Außenministern.

Giesekes Arbeitstag beginnt gegen 8 Uhr – oft mit einer Sitzung. Denn irgendeine Besprechung ist immer: Entweder tagt die CDU-Gruppe der niedersächsischen EU-Abgeordneten, die CDU/CSU-Gruppe der deutschen Parlamentarier, die Fraktion der EVP, das Parlament oder der Umweltausschuss. All diesen Gruppierungen gehört Gieseke an. Das fordert so sehr, dass manchmal keine Zeit für Essen in der EU-Kantine bleibt. Gegessen wird oft erst abends. Auf Nachtisch verzichtet der Sögeler schon deshalb. „Das schlägt zu sehr an. Ich komme bestenfalls einmal pro Woche zum Sport.“

Das Brötchen vor der Abfahrt aus Sögel musste an diesem Montag reichen. Abends lockte als Entschädigung die Aussicht auf ein Essen beim Empfang der hessischen Landesvertretung.

Der Abgeordneten-Tag endet oft abends mit solchen Einladungen zu Empfängen. Organisiert von Verbänden oder Interessensgemeinschaften, die den Politiker dabei für ihre Interessen gewinnen wollen. Noch vor ein paar Wochen gehörte Jens Gieseke zu genau diesen Lobbyisten: Er war Leiter des EU-Verbindungsbüros des Flughafenverbands ADV in Brüssel. Jetzt hat er die Seiten gewechselt.

Die Parlamentswoche in Brüssel endet am Donnerstagabend. Wenn er dann nach Hause fährt, stehen Einladungen auf dem Plan: Schützenvereine, Parteiveranstaltungen oder Unternehmer warten. „Ich betreue für die CDU das ganze westliche Niedersachsen“, verrät er. Da bleibt kaum eine freie Stunde. Das soll sich ändern: „Mein Ziel ist, einen Tag in der Woche für die Familie zu haben.“

Satt wurde Jens Gieseke an diesem Montagabend doch nicht: Die hessische Landevertretung reichte statt Abendessen nur Häppchen.

Quelle: http://www.noz.de/lokales/soegel/artikel/493210/das-neue-leben-des-sogelers-jens-gieseke